Ink schnupperte zuerst an dem Stück, dann sah er Dero in die Augen, während er ab biss. Der Dämon kannte diesen Blick. Es war die Angst vor etwas, was ihm schaden könnte, zusammen mit dem Vertrauen, dass es nichts Schlimmes sein würde, weil es von ihm, Dero, kam. Diese Blicke waren Gold wert. Sie trafen Dero jedes Mal direkt ins Herz.
Ink kaute und seine Miene hellte sich mit jedem Mal auf. Er leckte sich über die Lippen und die Zähne, versuchte, den Geschmack auch nach dem Essen noch gut aufzunehmen. Dero grinste zufrieden. Mission erfolgreich. Er brach sich selbst ein Stück ab, dann drückte er Ink die Tafel in die Hand.
Während er die Schokolade kaute, griff er wieder in die Tüte und nahm sich eine Flasche Weißwein heraus. Er öffnete sie und setzte die Flasche an. Dieses Mal sah Ink weniger begeistert aus. Er schnupperte und verzog leicht das Gesicht.
"Keine Sorge, dir muss das auch nicht schmecken. Bleib lieber bei deiner Schokolade."
Wie sich das für ein Kind gehörte. Mit den süßen Sachen. Er fragte sich, wie alt Ink eigentlich war. Er sah aus wie ein Kind, gewiss, aber vielleicht lag das auch nur an seiner Rasse und in Wahrheit war er schon viel älter? Man konnte ja nie wissen. Es war wirklich erstaunlich, was für Fähigkeiten gewisse Völker aufwiesen. Aber das kindliche Verhalten passte einfach zu gut auf Ink. All zu alt konnte er einfach nicht sein.
Dero nahm einen erneuten Schluck und spülte den süßen Geschmack der Schokolade herunter. Der Wein tat ihm gut. Er machte ihn ruhiger und müder. Er schmeckte außerdem. Dieser leicht bittere Nachgeschmack war genau richtig. Er erinnerte einen daran, dass selbst die schönsten Sachen im Leben nicht umsonst waren und nicht ewig dauerten. Dero trank weiter, während Ink still vor sich her aß. Irgendwann packte er die Schokolade weg und legte sich wieder hin. Normalerweise ging er zuerst in sein eigenes Bett und wechselte erst in der Nacht, heute blieb er einfach hier, bei Dero, liegen.
"Du bist wirklich ein freches kleines Biest", murmelte Dero vor sich her und strich dem Kleinen über die Haare. Er spielte ein wenig mit den Strähnen und wickelte die welligen Haare um seine Finger.
"Du hast wirklich Glück, dass du so niedlich bist."
Dero grinste und Ink zog sich die Decke bis über die Nasenspitze. Dero konnte es nicht direkt bestimmen, aber er glaubte, dass Ink dieses kleine Kompliment mochte. Lächelnd strich er ihm über den Rücken.
"Schlaf gut, mein Kleiner."
Dero wartete, bis Ink die Augen schloss und einigermaßen ruhig wurde, dann setzte er die Flasche wieder an. Ihm wurde zunehmend wärmer. Er stand auf und ging zur Wand hinüber, ließ sich dort auf den Boden fallen und lehnte sich mit seinem Rücken an den Stein. Er musste wieder an den kleinen Jungen denken, den er getötet hatte. Das war schon so lange her... Aber Sünden hatten nun einmal kein Verfallsdatum. Damals hätte er schwören können, dass die Mutter des Jungen aus dem Fenster gesehen hatte. Aber in Wahrheit war es seine Schwester gewesen? War sie dann nicht ziemlich jung gewesen, als sie ihn groß zog? Was war mit den Eltern?
Fragen, die er sich nicht stellen sollte. Solche Fragen machten einen kaputt. Seine Mutter warnte Dero und seinen Bruder immer davor. Wichtig ist nur das eigene Leben. Das Leben der Familie und des eigenen Volkes. Das ist wichtig. Was die anderen erleben, interessiert nicht. Ob die anderen leiden, ist nicht wichtig. So lange du und dein Volk überleben.
Diese Denkweise war bisher immer logisch gewesen. Wenn man sich unnötig mit seiner Nahrung beschäftigte, verlor man den Verstand. Dero hatte schließlich auch gesehen, wie die Menschen ihre Tiere behandelten, die sie aßen. Ihre Nahrung. Warum sollten sie selbst als Nahrungsquelle anders behandelt werden? Womit hätten sie das verdient?
Dero seufzte leise. Wenn er daran dachte, wenn ihm jemand Ink auf diese Art und Weise rauben würde... Der Gedanke ließ ihn erbleichen. Schnell noch ein paar Schlucke trinken. Die Leben der Menschen waren egal. Genau deshalb durfte er das nicht zu nahe an sich heran lassen. Es war einfach nicht gut. Er durfte nicht so über sie denken.
Dero saß still da und lauschte in die Stille hinein. Hier war die Heimat. Hier war sein eigener Raum. Hier würde ihm nichts Böses passieren. Und Ink auch nicht. Dero trank die Flasche aus und stellte sie zur Seite, dann stand er auf, streckte sich und ließ sich müde auf das Bett fallen. Er angelte nach der Decke und zog sie über seinen und Inks Körper. Er nahm seinen Kleinen in den Arm und kuschelte sich an ihn. Hier war Frieden.