„Es wird Zeit, dass du endlich fliegen lernst“, knurrte er schließlich, nachdem ihm aufgefallen war, dass er Sierra noch gar keine Antwort gegeben hatte.
„Ich habe genausoviel intus wie du.“ Ihr Tonfall war trocken. Fast wie der Wüstensand, sinnierte Zinnober. Der Gedanke kam ihm seltsam vor.
Sein Schädel pochte, ein dumpfer Schmerz, der knapp unterhalb des Haaransatzes begann und sich dann über die rechte Schläfe ausbreitete. Vermutlich würde er einen gewaltigen Kater haben, wenn er am nächsten Morgen aufwachte. Wenn. Angenommen, sie stießen auf eine andere Banditengruppe oder gar die Bienen... Er schüttelte den Kopf und verfluchte sich sofort dafür, denn alles um ihn herum begann, sich zu drehen. Der Levitator driftete ein wenig nach links ab. Oder war es rechts? Es fiel ihm schwer, das zu bestimmen.
Der Levitator schlingerte noch einen Moment, dann hatte er ihn wieder unter Kontrolle.
Sierras Blick ruhte auf ihm. Er spürte es mehr, als er es sah, ein beunruhigendes Kribbeln, als liefen tausend Ameisen über seine Haut. „Wir sollten landen“, sagte sie mit ihrer seltsam entfernten Stimme. Kalt. Leidenschaftslos. Die Sorge, die dieser Satz hätte implizieren sollen, kam nicht bei Zinnober an. Er fragte sich, ob das an ihm lag und dem vielen Alkohol, mit dem er seinen Sieg beim IAFR begossen hatte.
Trotzdem setzte er zur Landung an. Es gab einen heftigen Ruck. Seine Stirn pochte auf einmal noch mehr. Der Levitator strauchelte. Dann ging es abwärts.
Der Aufschlag ging ihm durch Mark und Bein. Sie rutschten mit einem ohrenbetäubenden, metallenen Kreischen über den Sand. Alles drehte sich für einen Moment, dann, langsam, schob sich die Welt wieder gerade, und sie standen still.
Zinnober gab einen gequälten Laut von sich und öffnete mit zittrigen Fingern den Sicherheitsgurt. Mit mechanischen Bewegungen kroch er durch die beim Absturz aufgesprungene Tür des Levitators. Der Sand war kalt, wirkte aber auf einmal furchtbar einladend. Zinnober bettete seinen Kopf darauf. Über ihm funkelten Millionen von Sterne. Sie lachen mich aus, dachte er, aber der Gedanke zog so schnell weiter, dass er ihn nicht richtig greifen konnte. Seine Glieder fühlten sich schwer an. Die Sterne verschwammen zu einem unangenehmen Flimmern.
Jemand schlug ihm ins Gesicht.
Es kam so unerwartet, dass er sogar vergaß, einen Schmerzenslaut von sich zu geben. Stattdessen riss er mit größter Anstrengung die Augen auf und starrte zu einem hellen Fleck herauf, den er erst nach einigen Sekunden als Gesicht erkannte. Sierra. „Aua“, quetschte er hervor.
„Jawohl, aua.“ Sie half ihm dabei, sich aufzurichten. Nur langsam kehrten seine Sinne wieder zu ihm zurück. Auf einmal war er so nüchtern, als hätte er in seinem ganzen Leben noch nie Alkohol getrunken.
Er schaute zu seinem Levitator herüber. Das Fluggerät lag auf der Seite. Die aufgesprungene Tür sah aus wie ein Arm, der sich hilfesuchend gen Himmel streckte.
Sein Blick kreuzte sich mit Sierras. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie aus einer Platzwunde am Kopf blutete. „Du bist ja verletzt“, sagte er leise. Er kramte nach einem Taschentuch, fand aber keins, deswegen wischte er das Blut kurzerhand mit dem Ärmel seines Mantels weg.
„Nur ein Kratzer.“ Sie musterte ihn. „War das unbedingt notwendig?“
„Die Bruchlandung? Zum Ausnüchtern auf jeden Fall.“
„Toll. Wirklich toll. Dir ist bewusst, dass wir bei dieser Aktion hätten draufgehen können?“
„Jetzt übertreibst du aber.“
Sie schwiegen sich an. Nach einer Weile stand Zinnober auf und ging zu seinem Levitator herüber. Es sah nicht so aus, als wäre irgendetwas kaputtgegangen. Vielleicht einige Dellen auf der Seite, die über den Boden geschrammt war, aber sonst nichts. Sie würden weiterfliegen können.